Biomarker sagt Schweregrad einer Covid-19-Infektion bereits früh voraus

Hohe Expression des „Fitnessgens hFwe-Lose“ in der Lunge prognostiziert sicher schweren Verlauf

21. Oktober 2021

Wissenschaftler eines internationalen Forschungsteams mit Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim haben mit der Gen-Isoform hFwe-Lose einen Biomarker identifiziert, der den "Fitness-Grad“ von Lungenepithelzellen anzeigt. Damit kann zukünftig prognostiziert werden, ob eine Person nach einer Covid19-Infektion einen schweren Krankheitsverlauf zu erwarten hat.

Auch viele Monate nach dem Beginn der Covid-19-Pandemie ist noch immer nicht eindeutig geklärt, warum einige Patienten nach einer SARS-CoV-2-Infektion sehr schwer und bisweilen mit einem tödlichen Verlauf erkranken, während andere Patienten nur geringe Symptome aufweisen. Ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Rajan Gogna von der Universität Kopenhagen haben zusammen mit Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim deshalb nach Möglichkeiten gesucht, mit Hilfe von Biomarkern eine Prognose über den Verlauf einer SARS-CoV-2-Infektion abgeben zu können.

Fündig wurden die Wissenschaftler, als sie Lungengewebsproben von an Covid-19 verstorbenen Patienten analysiert hatten. „Wir stellten fest, dass die Gen-Isoform hFwe-Lose bei einem schweren Covid-19-Verlauf stark exprimiert war. Bei diesem Gen handelt es sich um ein sogenanntes Fitness-Gen. Zellen, die sich in keinem optimalen Zustand befinden, weisen eine hohe Aktivität einer speziellen Expressionsform dieses Gens auf“, so Michail Yekelchyk, Postdoc in der Abteilung von Thomas Braun am Bad Nauheimer Max-Planck-Institut und Erstautor der Studie. In der Wissenschaft wird eine solche Isoform als Splicing-Variante beschrieben.

„Wir glauben, dass eine hohe Expression der hFwe-Lose- Splicing-Variante in einzelnen nicht mehr optimal funktionierenden Zellen normalerweise dazu führt, dass diese durch gesunde Zellen ersetzt werden. Patienten mit einer geschädigten Lunge weisen einen großen Anteil an hFwe-Lose-exprimierenden Zellen auf. Wenn viele Zellen hFwe-Lose exprimieren und damit nicht mehr optimal funktionieren, funktioniert dieser natürliche Erneuerungsprozess nicht mehr. Im Zuge einer Infektion sterben genau diese Zellen schnell ab. Die Folge sind schwere Lungenschäden, die vor allem durch explosionsartig verlaufende Entzündungsprozesse entstehen“, erklärt Yekelchyk. Ist der natürliche Erneuerungsprozess gestört, weil viele Zellen nicht mehr „fit“ sind, ist ein schwerer Verlauf einer Covid-19-Infektion wahrscheinlich. Auf diese Weise stellt hFwe-Lose nicht nur einen Marker für die allgemeine Fitness der Lunge dar, sondern weist auch auf ein erhöhtes Risiko eines schweren Covid19-Verlaufs hin.

Bislang fokussierten sich Wissenschaftler vor allem auf das Immunsystem, um Hinweise auf einen schweren Infektionsverlauf zu finden. Der Vorteil einer Kontrolle der hFwe-Lose-Expression liegt darin, dass dieser Marker einen Hinweis schon viel früher, nämlich schon am Anfang Infektion gibt, ob der Patient im Verlauf der Infektion schwer erkrankt oder gar daran versterben wird.

Den Nachweis erbrachten die Wissenschaftler bei der Analyse von Nasenabstrichen von rund 300 Patienten. Dabei konnten sie mit einer Wahrscheinlichkeit von rund 90 Prozent vorhersagen, dass einzelne Patienten später schwer erkranken oder an der Covid19-Infektion sterben würde. Die Vorhersage eines weniger schweren Verlaufs war etwas weniger präzise. Das heißt, dass in Einzelfällen sich ein vorhergesagter schwerer Verlauf nicht einstellte. „Insgesamt ist mit hFwe-Lose eine wesentlich bessere Prognose eines Infektionsverlaufs möglich, als dies bislang mit anderen Biomarkern der Fall war. Man könnte mit dem Marker sogar eine Aussage über den Verlauf einer Covid-19-Erkrankung treffen, bevor die Person überhaupt infiziert wird.“, sagt Yekelchyk.

Von der Studie versprechen sich die Wissenschaftler eine gezieltere Behandlung von Covid19-Patienten. Nicht geimpfte Patienten können bei einem prognostizierten schweren Verlauf durch den Einsatz des Biomarkers gezielter behandelt und so eventuell einem schweren Verlauf vorgebeugt werden. Auf diese Weise ließe sich der Anteil tödlicher Verläufe verringern. Darüber hinaus hofft das Forscherteam, mit Hilfe von hFwe-Lose zukünftig auch den Verlauf anderer Erkrankungen, beispielsweise der Grippe, vorhersagen zu können.

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